Cover_19-6_gruen_low

Schweizer Fachzeitschrift
für Publishing und Digitaldruck


Heft-Archiv >> 2018 >> Publisher 6-18 >> Imaging >> Freie Pixelbearbeitung Deluxe

Freie Pixelbearbeitung Deluxe

Das freie Bildbearbeitungsprogramm GIMP ist in seiner aktuellen Version 2.10 ein mächtiges Werkzeug. Die inoffizielle Variante Partha-GIMP macht daraus gar eine Komplettlösung zur Pixelbearbeitung.

Christoph SchäferDas Angebot an Erweiterungen zum freien Bildbearbeitungsprogramm GIMP ist reichhaltig, aber in den vollen Genuss kommt man ohne grossen Aufwand derzeit nur, wenn man es unter Linux betreibt. Windows-Anwender müssen lediglich gewisse Einschränkungen hinnehmen, während man mit GIMP auf dem Mac oft das Nachsehen hat, weil Plug-ins nicht auf diese Plattform portiert wurden.

Partha, ein Foto- und Bildbearbeitungsenthusiast aus den USA, der auch programmieren kann, veröffentlicht daher in Zusammenarbeit mit dem GIMP-Team angepasste und «aufgebohrte» Versionen für die beiden führenden Desktop-Betriebssysteme, die deren Benutzern nicht nur anderweitig nicht verfügbare Funktionen bereitstellen, sondern es darüber hinaus auch ermöglichen, einige kommerzielle Programme als Plug-ins in GIMP zu nutzen.

Damit nicht genug, macht Parthas GIMP-Version, die man unter www.partha.com für Windows und Mac OS herunterladen kann, aus der Bildbearbeitung ein Allroundpaket, das, wollte man es mit Adobe-Äquivalenten vergleichen, einer Kombination aus Photoshop, Lightroom sowie Hunderten von Plug-ins entspricht.

Plattformspezifisches

Die Veröffentlichung von Partha-GIMP folgt erfahrungsgemäss in einem gewissen zeitlichen Abstand zu einem offiziellen GIMP-Release. Dabei kann es sich um wenige Tage oder Wochen handeln – je nachdem, in welchem Umfang Änderungen im Original Anpassungen erzwingen. Darüber hinaus werden auch im zusätzlichen beziehungsweise im geänderten Code in den Partha-Versionen mitunter Fehlerbehebungen notwendig. Weiterhin erscheinen aktualisierte Windows-­Varianten meist früher als die für Mac OS.

Für Windows-Nutzer stehen stets zwei Varianten zur Auswahl, nämlich erstens ein normales Installationspaket und zweitens eine so genannte Portable App, das heisst ein Paket, das nicht installiert, sondern nur in einem Verzeichnis entpackt werden muss, um es nutzen zu können, weil es alle benötigten Komponenten enthält. Letzteres ist insbesondere dann von Vorteil, wenn man die offizielle GIMP-Version parallel zu der von Partha betreiben möchte, denn bei einer regulären Installation besteht GIMP darauf, eine andere Version zu entfernen. Ein weiterer Unterschied zur offiziellen Version von GIMP für Windows besteht darin, dass es nur für die 64-Bit-Versionen des Betriebssystems zur Verfügung steht.

Unter Mac OS kann man hingegen die beiden Varianten problemlos nebeneinander betreiben, da sich Partha-GIMP im Gegensatz zum offiziellen DMG als «McGIMP» identifiziert.

Fotolabor frei Haus

In GIMP 2.10.x lassen sich RAW-Dateien auf dem Umweg über ein RAW-Bearbeitungsprogramm öffnen, das auf dem jeweiligen Rechner installiert sein muss. Wählt man eine RAW-Datei im GIMP-Dateidialog aus, startet es das externe Programm im Hintergrund, und man kann dort erste Optimierungen vornehmen. Klickt man im RAW-Bearbeiter auf Speichern beziehungsweise auf Exportieren, fängt GIMP den Datenstrom ab und öffnet das Bild in dem voreingestellten Exportformat – JPEG oder TIFF. Dabei ist es prinzipiell egal, welche Software man zur RAW-Bearbeitung verwendet – auch Adobe Lightroom kommt hier infrage –, denn man muss bloss in den Voreinstellungen den Pfad zu der entsprechenden ausführbaren Datei einstellen. Letzteres funktioniert bisher jedoch nur unter Mac OS und Linux, während man auf einem Windows-System im RAW-Bearbeiter seiner Wahl GIMP als Bildbearbeitung einstellen und die Datei zuerst im RAW-Programm öffnen muss, das sie anschliessend an GIMP übergibt.

Mit dem Partha-GIMP erledigt sich das Problem für Windows-Anwender, denn es bringt von Haus aus den RAW-Editor NUFRaw mit, der auch voreingestellt ist. Zwar ist NUFRaw nicht ganz so mächtig wie etwa Lightroom oder RAWTherapee, aber es ist alles andere als ein Spielzeug, und die meisten RAW-Bearbeitungsschritte lassen sich auch in NUFRaw durchführen. Nachteile könnten sich lediglich bei der Verwendung einiger seltener Objektive oder neuerer Bildtechnologien wie Pixel Shift ergeben.

Obwohl streng genommen nicht unbedingt notwendig, hat Partha auch der Mac-Version eine Version von NUFRaw spendiert. Auf diese Weise kann man auch unter Mac OS unter Umständen auf die Installation eines separaten RAW-Programms verzichten.

Pixel-Hexerei auf dem neusten Stand

Während GIMP-Anwender unter Windows gegenüber Mac-Benutzern derzeit noch im Nachteil sind, wenn es um RAW-Dateien geht, schaut es in Sachen G’MIC (siehe Publisher 5-15) gerade umgekehrt aus. Der «Superfilter» liegt nämlich als GIMP-Plug-in bisher nur in Versionen für Linux und Windows vor, auch wenn sich die Mac-Variante wenigstens schon in der Testphase befindet. Dies ist umso bedauerlicher, als G’MIC zahlreiche Funktionen bietet, die auch als GIMP-Plug-ins erhältlich sind, aber eben nur für Linux und Windows. Hierzu gehören etwa das inhaltsbasierte Entfernen oder Skalieren (siehe Publisher 6-17). Darüber hinaus enthält G’MIC nicht nur zahllose künstlerische Effekte, sondern auch viele Werkzeuge, die weit über das hinausgehen, was GIMP selbst zu bieten hat, etwa zum Entrauschen oder Schärfen von Bildern. In diese Kategorie gehört auch die Möglichkeit, so genannte Color Lookup Tables im offenen CUBE-Format anzuwenden.

Ausserdem ist G’MIC, als quasi akademisches Projekt, bezüglich Pixelbearbeitung meist auf dem neusten Stand der Forschung und Technik, so dass man hier oft schon Funktionen verwenden kann, die erst mit Verzögerung in anderen Produkten auftauchen – freilich manchmal um den Preis einer noch nicht optimierten Bedienbarkeit (zu viele und nur für Experten durchschaubare Optionen).

Partha ist die undankbare Aufgabe angegangen, G’MIC als Plug-in für die Apple-Plattform zu kompilieren und in sein DMG-Paket zu integrieren, was angesichts der Einschränkungen von Mac OS nicht ganz leicht gewesen sein dürfte. Letztere waren vermutlich auch der Grund, warum man unter Mac OS in Sachen Geschwindigkeit bei besonders rechenintensiven Operationen keine Wunder erwarten sollte.

Rundumblick

Während Photoshop mittels Photomerge von Haus aus Panoramabilder erzeugen kann, fehlt GIMP dieses Feature bis heute. Zwar gibt es ein Plug-in namens Pandora, aber damit lassen sich nur wenig komplexe Einzelbilder zusammenfügen. Üblicherweise verwendet man für eine solche Aufgabe in einem Open-Source-Workflow das separate Programm Hugin (hugin.sourceforge.net), das sich, ähnlich wie die oben beschriebenen RAW-Bearbeiter, als Beinahe-Plug-in verwenden lässt. Das Partha-GIMP für Mac OS enthält ebenfalls Hugin, das aber vor der aktuellen Version 2.10.6 nicht richtig funktioniert hat. Die Bedienung ist denkbar einfach: Man öffnet das erste Bild in GIMP und fügt alle weiteren als Ebene ein. Anschliessend ruft man über Filter > Panorama Stitcher Hugin auf, und GIMP übergibt diesem Programm nun jede Ebene als Einzelbild. Nach dem Zusammenfügen speichert man die Datei im Format seiner Wahl und lädt sie in GIMP.

Obwohl Hugin auch für Windows erhältlich ist, hat sich Partha bei seiner Version aus unerfindlichen Gründen für ein Werkzeug entschieden, das unter einer unfreien Lizenz steht, aber kostenlos erhältlich ist: den «Image Composite Editor» von Microsoft. Aus urheberrechtlichen Gründen ist das Programm nicht im Paket enthalten, sondern muss separat heruntergeladen und installiert werden. Ausserdem ist es nur mit einer englischsprachigen Benutzeroberfläche erhältlich. Im Vergleich zu den nativen Photo­shop-Werkzeugen oder Hugin kann das Microsoft-Programm auch aus Videos Panoramabilder erzeugen, was aber im Zusammenhang mit GIMP irrelevant ist. Noch bedeutsamer ist aber, dass es über weit weniger Feineinstellungsmöglichkeiten verfügt, sodass man bei problematischen Aufnahmen schnell an Grenzen stösst. Im Gegenzug liefert ICE aus dem Stand heraus aber in den meisten Fällen ein perfektes Ergebnis, das keiner weiteren Korrektur bedarf.

Geschlossene Abteilung

Zusätzlich zu den genannten Open-Source- beziehungsweise Freeware-Programmen hat Partha seine GIMP-Version für die Zusammenarbeit mit weiterer kommerzieller Software präpariert. Die Funktionsweise entspricht der für die Panorama-Werkzeuge, das heisst, man öffnet ein Bild in GIMP und übergibt es dem externen Programm, indem man es über den Filter-Dialog aufruft. Nach der Bearbeitung bewirkt der Befehl Speichern den Rücktransfer der Bilddaten an GIMP.

Zu den unterstützten Werkzeugen gehört unter anderem die Nik Collection, eine beliebte Plug-in-Sammlung für Photoshop und andere Programme. Die Software wurde bis vor einiger Zeit von Google verschenkt, ist aber nach dem Verkauf an DxO wieder kostenpflichtig. Die Google-Version 10 lässt sich jedoch nach wie vor herunterladen. Einen entsprechenden Link findet man auf der Partha-Website.

ON1 ist ein leicht zu bedienender RAW-Editor, der Nichtexperten die Einarbeitung in die technischen Feinheiten der RAW-Bearbeitung erspart, und auch für die Benutzung dieses Programms ist Partha-GIMP vorbereitet, ebenso wie für die Filter von Topaz Studio. Dabei spielt es in beiden Fällen keine Rolle, ob man die funktionsreduzierte Gratis-Variante oder eine Vollversion verwendet.

Fazit

Die Partha-GIMP-Versionen für Mac OS und Windows helfen vor allem, die Funktions- bzw. Optionslücken im Vergleich zum offiziellen GIMP unter Linux zu schliessen und dieses teilweise sogar zu übertreffen.

Solange man nicht auf die Verwendung von Schmuckfarben oder das Arbeiten im CMYK- oder LAB-Farbmodell angewiesen ist, erhält man mit Partha-GIMP ein Rundum-sorglos-Paket zur Bildbearbeitung, das wegen der blossen Übergabe von Daten auch für kommerzielle Erweiterungen offen ist, ohne mit der GIMP-Lizenz in Konflikt zu geraten. ↑